2017
Die Rothaarbahn verbindet als Regionalbahnlinie Betzdorf (Sieg) über Siegen mit Bad Berleburg. Bis Kreuztal wird eine elektrifiziert zweigleisige Hauptbahn befahren. Ab Kreuztal gewinnt die eingleisige Nebenbahn an Höhe und überwindet bei Lützel den Rothaarkamm. Anschließend folgt die Linie der ländlich geprägten Ederaue bis zum Ziel in Bad Berleburg. Seit Anfang des Jahres 2016 häufen sich in der regionalen Presse Leserbriefe und Artikel, die Zugausfälle und Verspätungen kritisieren. Der vorliegende Bericht beschreibt Hintergründe und die Entwicklung der aktuellen Situation. Die Rothaarbahn (RB 93) wird vom Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord) im Rahmen des „Dieselnetz Eifel-Westerwald-Sieg“ organisiert. Die Streckenabschnitte in Nordrhein-Westfalen werden zusammen mit dem Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), vertreten durch den Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd (ZWS) geplant. Mit dem ab Dezember 2014 gültigen Fahrplan wechselte der Betreiber der Rothaarbahn von DB Regio zur Hessischen Landesbahn (HLB). Im Dezember 2015 wurde die Linie um den Abschnitt Betzdorf (Sieg) ‒ Siegen erweitert. Die Planung für die Verlängerung der Rothaarbahn lässt sich bis in das Jahr 2008 zurückverfolgen [1].
In der Information des NWL zur Vergabe des Dieselnetzes [2] werden als Verbesserungen für die Rothaarbahn die Verlängerung nach Betzdorf und der sich damit ergebende werktägliche Halbstundentakt der Regionalbahnen zwischen Betzdorf und Siegen genannt. Die Verlängerung der Rothaarbahn wurde so umgesetzt, dass die Rothaarbahn ab Betzdorf dem RE 9 von Aachen nach Siegen mit wenigen Minuten Abstand folgt. Früher nahm dagegen die RB 93 den Anschluss aus dem RE 9 in Siegen auf. Wegen der längeren Fahrzeit der RB zwischen Betzdorf und Siegen fährt sie jetzt in Siegen 2 Minuten später ab als vor der Umstellung. In der Gegenrichtung muss die RB 93 2 Minuten früher in Siegen ankommen, um noch vor dem RE 9 bis Betzdorf verkehren zu können. Zugleich sind die Fahrzeiten zwischen Betzdorf und Siegen und die Haltezeit in Siegen eng bemessen. Bereits seit dem Fahrplanwechsel Ende 2014 ist die Rothaarbahn unpünktlich geworden. Ob das am neuen Betreiber, dem Wechsel der verwendeten Fahrzeuge oder an vorübergehenden Langsamfahrstellen lag, lässt sich im Nachhinein nicht feststellen. Mit der Verlängerung der Rothaarbahn nach Betzdorf hat sich die Situation weiter verschlechtert. Besonders im Berufsverkehr fährt die RB in Siegen in Richtung Bad Berleburg häufig mit 3 bis 4 Minuten Verspätung ab, immer wieder treten aber auch Verspätungen von 10 Minuten bis 20 Minuten auf. Dagegen sind Züge, die zur geplanten Minute verkehren, in der Hauptverkehrszeit die absolute Ausnahme. Wenn viele Reisende ein- und aussteigen, nimmt die Verspätung von Siegen bis zum ersten Kreuzungsbahnhof Hilchenbach oft sogar noch zu. Seit Anfang 2016 stehen im Bahnhof Siegen wegen der Erneuerung von Bahnsteigen zwei Gleise nicht zur Verfügung. Auch dadurch können Verspätungen von über 10 Minuten entstehen. Wegen der eingleisigen Abschnitte wirken sich die Verspätungen schnell auf alle folgenden Züge aus und werden wegen der geringen Fahrzeitreserven zwischen Hilchenbach und Bad Berleburg nur langsam wieder abgebaut. Die Problematik wurde nach der Verlängerung der Linie schnell erkannt. Als Abhilfe wurden „Dispositionsregeln“ eingeführt: in Betzdorf startet die Rothaarbahn vor dem RE 9, wenn dieser mehr als 5 Minuten Verspätung hat, in der Gegenrichtung fährt in Siegen der RE 9 abweichend vor der Rothaarbahn, wenn diese mehr als 5 Minuten Verspätung aus Richtung Bad Berleburg „mitbringt“. Die Regeln führen häufig dazu, dass sich die Verspätung des RE 9 auf dem Weg von Betzdorf nach Siegen im Extremfall von 6 Minuten auf 14 Minuten erhöht, weil die langsamere Regionalbahn vorweg fährt. Günstige Umsteigeverbindungen aus Richtung Köln zu den Halten der RB 93 gehen dann auf deren gesamten Laufweg verloren. In der Gegenrichtung tritt immer wieder der Fall auf, dass die RB 93 von Siegen nach Betzdorf dem RE 9 folgt. Die Verspätung beträgt dann im gesamten betroffenen Abschnitt ca. 14 Minuten. Der Anschluss in Betzdorf in Richtung Köln geht verloren und der Halbstundentakt ist nicht mehr zu erkennen. Einen Tiefpunkt erreichte die Beförderungsqualität im letzten Januar, als bei stärkerem Frost häufig Züge ausfielen [3]. Betroffen war vor allem der Abschnitt Erndtebrück – Bad Berleburg. Gleichzeitig nahmen auch die Verspätungen stark zu. Zwar hat sich die Situation nach dem Ende der Frostperiode verbessert. Gleichwohl müssen immer wieder die „Dispositionsregeln“ mit ihren nachteiligen Nebeneffekten angewendet werden. Den Zweckverbänden war offenbar bewusst, dass der neue Fahrplan kritisch ist. Die Planung des SPNV-Nord wurde im Jahr 2008 [1] vom ZWS als „recht ambitioniert“ aber „betrieblich durchaus machbar“ eingeschätzt. In den folgenden Jahren erschienen viele Presseartikel, in denen die Beschleunigung der Rothaarbahn gefordert bzw. angekündigt wurde. Im Jahr 2012 wurde „… händeringend nach jeder Minute“ gesucht, Bahnübergänge sollten geschlossen werden, die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf 80 km/h steigen [4]. Zuletzt sollten noch die neuen LINT 41 Triebwagen (Baureihe 95 80 1648) „Tempo machen“ [5]. Nur eine der vorgestellten Maßnahmen war bisher erfolgreich: zwei Blocksignale wurden zwischen Kirchen und Brachbach eingerichtet. Die seit Mitte 2015 eingesetzten neuen Triebwagen bringen nach Beobachtung des Autors keinen deutlichen Fahrzeitgewinn. Die übrigen Maßnahmen wurden bisher nicht umgesetzt. Die Aufhebung von Bahnübergängen, die höhere Geschwindigkeiten ermöglichen könnte, ist auch mittelfristig nicht zu erwarten. Die dafür erforderlichen Planungen sind bisher nicht erkennbar. Seitens der Fahrgastverbände wurde Anfang 2016 in Presseartikeln und im Fahrgastbeirat der lokal zuständigen Verkehrsgemeinschaft Westfalen-Süd auf die Situation aufmerksam gemacht. Der Verbandsversammlung des ZWS wurden Änderungen zur Stabilisierung des Fahrplans vorgelegt [6]: Verzicht auf die Durchbindung der Rothaarbahn bis Betzdorf oder Tausch der Reihenfolge von RE 9 und RB 93 zwischen Siegen und Betzdorf in beiden Richtungen. Diskutiert wurde auch das Auslassen von zwei Halten zwischen Betzdorf und Hilchenbach. Diese Ideen wurden aber nicht weiter verfolgt. Unter den gegebenen Umständen stellt sich die Frage, ob sich mit dem aktuellen Fahrplankonzept die Qualität des Schienenpersonenverkehrs im betroffenen Bereich verbessert. Den umsteigefreien Verbindungen zwischen Betzdorf und Bad Berleburg und dem Halbstundentakt der Regionalbahn zwischen Betzdorf und Siegen stehen die häufigen Verspätungen und Anschlussbrüche entgegen. Mit dem Regionalexpress RE 9 können sich Verspätungen bis in den Raum Köln auswirken. Wünschenswert wäre deshalb die Einbeziehung eines neutralen Gutachters mit Zugang zu den erforderlichen statistischen Daten. Damit könnten Vorteile und Nachteile des Fahrplankonzepts aus Sicht der Fahrgäste abgewogen und eine Empfehlung zur weiteren Planung gegeben werden. Dass eine Stabilisierung des Fahrplans möglich wäre, zeigt ein Blick auf die Umläufe der RB 93 und der Regionalbahn RB 90, die zwischen Westerburg und Siegen ebenfalls mit Triebwagen LINT 41 verkehrt. Die RB 93 weist in Betzdorf eine „überschlagene“ Wende zur Minute 30 auf. Gleichzeitig wendet die RB 90 in Siegen ebenfalls „überschlagen“. Wenn die Fahrten der RB 93 zwischen Siegen und Betzdorf an die RB 90 abgegeben würden, könnten die Umläufe der Linien mit den vorhandenen Fahrzeugen so organisiert werden, dass die Zugleistungen weitgehend unverändert bleiben. Die Zwangspunkte zwischen dem RE 9 und der Regionalbahn zwischen Siegen und Betzdorf würden sich entschärfen, weil die dann verkehrende RB 90 mit ausreichenden Pufferzeiten zum RE 9 und weiteren Anschlüssen geplant werden kann.
Quellen
[1] www.wr.de 11.07.2008 15:00: „Neue Ideen für Bahn-Nahverkehr: Rothaarbahn bis Betzdorf“
[2] Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Lippe (NWL): „Vergabeentscheidung im Dieselnetz Eifel-Westerwald-Sieg …“; http://www.nwl-info.de/aktuelles/pressemitteilungen/2012/10/30/dieselnetz-eifel-westerwald-sieg.php
[3] Siegener Zeitung, 24.01.2017: „Der Frust wächst weiter“
[4] www.derwesten.de 06.09.2012 18:51:“Hilchenbach lässt sich Zustimmung am Schmidtseifen teuer bezahlen“
[5] www.derwesten.de 08.07.2015 22:00: „Rothaarbahn bekommt starke Sprinter“
[6] www.derwesten.de 07.03.2016 20:20: „Rothaarbahn: Neuer Plan“
(c) Matthias Tuschhoff – VCD
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Redaktion: Achim Walder - Ingrid Walder
Text: Achim Walder und Freunden
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